
Auf dem Gelände der Gedenkstätte Neuengamme befand sich von 1938 bis 1945 das größte Konzentrationslager Nordwestdeutschlands. Im Hauptlager und in über 85 Außenlagern waren mehr als 100.000 Menschen aus ganz Europa inhaftiert. Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme umfasst fast das gesamte historische Lagergelände von 57 Hektar und ist damit eine der größten Gedenkstätten in Deutschland. Die Gedenkstätte versteht sich als Gedenk- und Lernort: Sie bewahrt die Erinnerung an die Opfer des SS-Terrors und bietet vielfältige Möglichkeiten der Beschäftigung mit den Ursachen und Folgen der NS-Herrschaft. Fünf Ausstellungen vermitteln die Geschichte des Ortes. Die Gedenkstätte Neuengamme verfügt zudem über ein wissenschaftliches Archiv, eine Bibliothek und ein Studienzentrum.
Das 5. Forum „Zukunft der Erinnerung“ mit überwiegend internationalem Publikum und Gästen fand am 1. und 2. Mai im Studienzentrum der Gedenkstätte Neuengamme statt.
Thema dieses Jahr war die Rolle der Nachkommen ehemaliger NS-Verfolgter als Akteurinnen und Akteure innerhalb einer europäisch und international ausgerichteten Erinnerungskultur. An beiden Tagen diskutierten die Forumsteilnehmerinnen und -teilnehmer über die Auswirkungen der Verfolgungserfahrungen auf die Nachkommen von politisch Verfolgten, Juden, Sinti und Roma, Opfern der NS-„Euthanasie“ sowie als „asozial“ Verfolgten.
Impulsreferate mit Beispielen aus den Niederlanden, Frankreich und Deutschland stellten Projekte vor, in denen Nachkommen in die dialogische Bildungsarbeit eingebunden werden. In Workshops zu den psycho-sozialen Auswirkungen auf die Folgegeneration reflektierten die Teilnehmenden u.a. die Rolle ihrer eigenen Biografie für das Engagement in der Erinnerungskultur. Weitere Vorträge beleuchteten und verglichen den familiengeschichtlichen und gesellschaftlichen Umgang mit belasteten Vergangenheiten in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien und in Spanien.
Als Vertreterin des forumZFD nahm Dr. Ljubinka Petrovic-Ziemer, Leiterin der Akademie für Konflikttransformation, an der Podiumsdiskussion zu Formen der Dialogarbeit teil. Sie berichtete außerdem über unsere Bildungs-und Projektarbeit, die sich mit belasteter Vergangenheit auseinandersetzt und in der wir uns gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen um integrative und friedensfördernde Erinnerungskulturen in gespaltenen Gesellschaften bemühen.
Die Diskussionen während der Tagung haben erneut verdeutlicht, dass Nachkommen sowohl der NS-Verfolgten als auch der NS-Täter und -Täterinnen in die aktuelle Erinnerungsarbeit und öffentliche Diskurse zu Gewalt, Terror und Krieg eingebunden werden müssen. Sie haben Erfahrung mit dialogisch ausgerichteten Projekten und leisten einen wichtigen Beitrag zum tieferen Verständnis von Gewaltmechanismen und deren Überwindung. Die Spuren und Spätfolgen der NS-Vergangenheit im europäischen und internationalen Kontext sind immer noch vorhanden. Dies belegt, dass die Auseinandersetzung mit NS-Verbrechen nicht nur für die Aufarbeitung der Vergangenheit sondern auch für ein tiefgründiges und differenziertes Verständnis alarmierender Tendenzen in unserer Gegenwart fundamental ist.
Gleichzeitig hat der sehr bereichernde Austausch während der Konferenz gezeigt, dass bei der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in einer Einwanderungsgesellschaft sowohl die Gewalterfahrung als auch die Resilienzfähigkeit von Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten stärker berücksichtigt werden sollte. Angesprochen wurde auch die Notwendigkeit, die Gedenkstättenarbeit, insbesondere in Deutschland, punktuell mit Fragen und Thematiken zu verknüpfen, die sich auf Gewalt- und Machtkonflikte in gegenwärtigen Kriegs- und Nachkriegsregionen beziehen. So würde die Relevanz der Gedenkstättenarbeit für die Auseinandersetzung mit anhaltenden Konflikten in der Weltgemeinschaft hervorgehoben.