200 Gäste aus aller Welt feierten in Berlin das 20jährige Jubiläum des Zivilen Friedensdienstes.
Im November 1999 reisten die ersten Fachkräfte des Zivilen Friedensdienstes in das ehemalige Jugoslawien, nach Guatemala, Rumänien, Simbabwe und in die Palästinensischen Gebiete aus. Das zwanzigjährige Jubiläum feierten das Konsortium Ziviler Friedensdienst und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gemeinsam mit 200 Gästen am 4. und 5. Dezember in Berlin.
„Wenn lautstark gefordert wird, dass Deutschland sich stärker für Frieden und Sicherheit einsetzen soll, entgegnen wir aus tiefer Überzeugung, dass Deutschland mehr zu bieten hat als militärische Interventionen."
„Mit dem ZFD steht ein Programm zur zivilen Konfliktbearbeitung und Krisenprävention bereit, das sich seit 1999 in über 600 Projekten bewährt hat.“ Rund 1400 ZFD-Fachkräfte haben sich seither in knapp 40 Ländern mit lokalen Partnerorganisationen erfolgreich für Friedensförderung und Gewaltprävention eingesetzt. Aktuell arbeiten 330 internationale ZFD-Fachkräfte in 45 Ländern, die meisten davon in Afrika. „Es ist der Blick von außen auf die Konflikte, Herzblut und langer Atem,“ fasst Alexander Mauz das Erfolgsgeheimnis des ZFD zusammen und der Applaus des Publikums ist ihm sicher. Wie die Friedensarbeit in der Praxis aussieht, kennt viele beredte Beispiele: In Guinea wurde aus einer lokalen Initiative zur Gewaltprävention eine nationale Friedenskoalition. In Kolumbien konnten indigene Gruppen ihre Anliegen in den Friedensvertrag einbinden. In Kenia entstand ein neues Zentrum für Verständigung zwischen den Religionen. Rund 20 ZFD-Partner und Fachkräfte aus elf Ländern gaben beim Festakt in Berlin lebendige Eindrücke von ihrer Arbeit.
Nelly Njoki, Anwältin, Mediatorin und Mitgründerin des Community Education and Empowerment Centre (CEEC) aus Kenia
Im Friedenstalk am Nachmittag des sonnigen Dezembertages, moderiert von Melinda Crane (Chefkorrespondentin bei der Deutschen Welle), berichtet Nelly Njoki aus Kenia von ihren Erfahrungen. Die Anwältin, Mediatorin und Mitgründerin des Community Education and Empowerment Centre (CEEC) erklärt, wie anders Konflikte Frauen betreffen als Männer und berichtet von dem Engagement des CEEC, mehr Frauen in politische Führungspositionen zu bringen, aber auch Frauen über Themen wie Ehe, Bildung oder Besitz zu informieren. Sie betont, dass es oft Außenseiter brauche, um zu erkennen, was eigentlich der Konflikt sei, der vornehmlich an ethnischen und religiösen Grenzen entlang geführt werde.
„Wir müssen die Feinde zusammenbringen"
Auch Nenad Vukosavljević, Gründungsmitglied des Centre for Nonviolent Action (CNA) aus Serbien, berichtet über sein Engagement, Kriegsveteranen aus dem ehemaligen Jugoslawien zu versöhnen. Seit 1997 engagiert sich CNA in Bosnien-Herzegowina in der Friedensarbeit – gemeinsam mit Kriegsveteranen. „Es gibt viele Gelegenheiten einzugreifen, um zu verhindern, dass ein Krieg wieder aufflackert,“ sagt er und berichtet von einem gemeinsamen Gang ehemaliger Feinde durch die Gräber von Srebreniza oder zu einer Gedenkstätte für Kriegsverbrechen. „Unzählige Treffen von Opfer- und Veteranenbänden waren nötig, bevor erstmals verschiedene Ex-Kombattanten zusammen mit Friedensaktivisten gemeinsam Gedenkstätten besuchen und sich einander wieder annähern konnten.
Nenad Vukosavljević, der selbst im damaligen Jugoslawien den Kriegsdienst verweigert hat, betont mit Blick auf den noch immer schwelenden Hass und Bitterkeit der ehemaligen Konfliktparteien: „Wir müssen die Feinde zusammenbringen. Erst die Anwesenheit des Feindes zerstört das Schwarz-Weiß-Denken von Freund und Feind. Solange das nicht klappt, besteht die Gefahr, dass es noch einmal passiert.“
Vertreter der Organisation Eirene stellt die gewaltfreie Konfliktbearbeitung in Mali vor.
Zu weiteren Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern der Partnerorganisationen des ZFD bot die „Offene Stunde“ im Saalfoyer im Erdgeschoss reichlich Gelegenheit. Großer Andrang herrschte an den Stehtischen, wo die Partnerorganisationen des ZFD über ihre Arbeit informierten. Dass die Lösung von Konflikten eine zivilgesellschaftliche und keine militärische Aufgabe ist, unterstreicht das mannigfaltige Engagement der Expertinnen und Experten aus Senegal, Bosnien-Herzegowina, Mali, Nepal und den Philippinen, die hier einzelne Initiativen vorstellen.
Für ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen sind Dialog, Versöhnung, zivile Konfliktbearbeitung und Kreativität unabdingbar; im Rahmen der Friedensarbeit kommt daher auch dem Journalismus eine große Bedeutung zu. Am Beispiel der Philippinen wird deutlich, wie ein konfliktsensibler Journalismus helfen kann, stockende Friedensprozesse in Gang zu bringen. Eine sensationsheischende Berichterstattung verstärke Feindbilder, vertiefe Gräben, schüre Ängste und stachele zum Hass auf.
Journalismus für den Frieden
Dem setzten Mediennetzwerke wie der forumZFD-Partner Kutawato Multimedia Network (KuMuNet) oder Peace and Conflict Journalism (PECOJON) etwas entgegen: Seit 2015 bieten sie Aus- und Weiterbildungen in Friedensjournalismus an, in denen Medienvertreterinnen und -vertreter von Presse und Rundfunk an den Universitäten darin geschult werden, umsichtig, ausgewogen und fair zu berichten. Aber auch ein „Radio für den Frieden“ bewegt den Friedensprozess nach vorne. Das Radio „Bangsamoro Jetzt - Stimmen für den Frieden“ sendet Nachrichten zum Friedensprozess in die gesamte Bangsamoro-Region. Die Bevölkerung diskutiert dabei übers Telefon genauso mit wie Sprecher der Rebellen und Regierungsvertreterinnen und -vertreter.
„Ungerechtigkeit sichtbar machen“, will die Online-Plattform NepalMonitor und informiert in Echtzeit über Menschenrechtsverletzungen im ganzen Land. Per Mausklick zeigt eine interaktive Karte die Anzahl der Zwischenfälle und Übergriffe in verschiedenen Landesteilen. Gewalt gegen Frauen nimmt dabei eine traurige Spitzenposition ein. Die Plattform hilft, schneller auf Vorfälle zu reagieren, aber sie trägt auch zum Schutz der Mitarbeitenden von Menschenrechtsorganisationen und der Bevölkerung bei. Mehr als 2.000 Personen nutzten bis heute den NepalMonitor, um ihre Sicherheit an ihren jeweiligen Aufenthaltsorten zu bewerten.
Ein energiegeladener Auftritt der HipHop-Band Sawa Sawa Soundsystem, gemeinsam mit dem deutschen Rapper Curse, stimmte auf den Festakt im Konferenzsaal ein. Sawa Sawa Soundsystem formierten sich in dem palästinensischen Geflüchtetenlager Shu’fat im Rahmen eines ZFD-Programms, das Jugendliche darin stärkt, sich gewaltfrei für ihre Anliegen zu engagieren.
Padre Darío Echeverri Gonzáles, Generalsekretär der kolumbianischen Versöhnungskommission (CCN), beschrieb bei der Feier die „unermüdliche Arbeit des ZFD in der Aussöhnungskommission,“ die eine Verhandlungslösung mit den FARC-Rebellen erarbeitet habe und warnte davor, in den Anstrengungen für den Frieden, der durch Korruption, Drogenhandel und „unendliche Schmerzen aus der Vergangenheit“ bedroht sei, nachzulassen. Susan Risal, Geschäftsführerin von Nagarik Aawaz („Citizens Voices“), ZFD-Partnerorganisation in Nepal, berichtete über die eskalierende Gewalt in Nepal und betont die Wichtigkeit des Zuhörens. „Wir müssen in Friedenszentren sichere Räume schaffen, in denen Menschen über Belastungen und Traumata sprechen können. Erst wenn wir den Ungehörten zuhören, können wir Aktivitäten starten.“
Ehemalige Kämpferinnen und Kämpfer engagieren sich für Frieden
Raphael Nabholz, ehemalige ZFD-Fachkraft in Israel und den Palästinensischen Gebieten, trug seine Geschichte um die Entstehung der binationalen Combatants for Peace vor. „Koexistenz beider Gruppen ist das Ziel,“ betont Raphael Nabholz, „Kennenlernen und kreativer Widerstand sind der Weg. Eine wahre Augenöffnungsarbeit.“ Weil erst ein Ende der Gewalt die Voraussetzung für den Frieden ist, legen israelische Soldatinnen und Soldaten und palästinensische Widerstandskämpferinnen und –kämpfer ihre Waffen nieder und engagieren sich für den Frieden. Die Combatants setzen sich aktiv für ein Ende der Besatzung, Gewaltfreiheit und Dialog ein. Herzstück ihrer Arbeit ist für viele eine Provokation: Eine gemeinsame Trauerzeremonie, der Israeli-Palestinian-Memorial-Day gedenkt einmal im Jahr der Opfer beider Seiten. Raphael Nabholz formuliert eine Hoffnung an die Politik: „Die Potenziale der Friedensarbeit müssen noch stärker hervorgehoben werden, aber dazu muss auch der ZFD politischer werden.“
„Rund zwei Milliarden Euro jährlich investiert unser Haus in Themen wie Konfliktprävention, Aussöhnung und Friedensarbeit,“ sagte Norbert Barthle, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. „Dabei setzen wir besonders auf den ZFD,“ ergänzt er seine Geburtstagsglückwünsche. Die Akteure stellten Menschlichkeit wieder her und leisteten damit eine Arbeit von unschätzbarem Wert – für die den Mitarbeitenden dem Zivilen Friedensdienst heute gedankt werden soll.
Autorin: Gerlinde Unverzagt (von der Redaktion bearbeitet)