Frieden - haben wir eine Wahl?

Friedenspolitische Fragen zur Bundestagswahl

Am 26. September dieses Jahres wird ein neuer Bundestag gewählt. Zu Beginn des Wahljahres wage ich eine kurze friedenspolitische Bilanz der aktuellen Wahlperiode und gehe der Frage nach, welche Friedensfragen in diesem Jahr wichtig werden.
Friedenspolitik
© Pro Peace

Zur Wahl vor vier Jahren hatte Pro Peace mit vielen Menschen aus Wissenschaft, Kultur, Medien und Zivilgesellschaft den Aufruf „Für eine Politik der Vernunft. Aufrüstungsspirale stoppen – Frieden und Gerechtigkeit fördern“ veröffentlicht. Zu den Forderungen des Aufrufs zählten die Stärkung ziviler Friedensförderung im Ausland, eine aktive Abrüstungspolitik, eine schrittweise Beendigung von Rüstungsexporten und mehr Präventionsarbeit im Inland. Was hat die Große Koalition bei diesen Themen erreicht?

Noch mehr fürs Militär oder Vorrang für zivil?

Vor der letzten Bundestagswahl hatte der Spitzenkandidat der SPD, Martin Schulz, einer weiteren Aufrüstung noch eine klare Absage erteilt. In den Regierungsjahren der letzten beiden Großen Koalitionen ist der Etat des stets von der CDU geführten Bundesministeriums für Verteidigung um fast 15 Milliarden Euro jedoch stark angewachsen von 32,5 Milliarden Euro (2014) auf 47 Milliarden Euro (2021). Dieser Aufrüstungskurs soll nach dem Willen von CDU/CSU und FDP sowie mindestens Teilen der SPD fortgesetzt werden. Sie bekennen sich, erst recht nach dem Machtwechsel im Weißen Haus, zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO-Staaten, also der Selbstverpflichtung, ab 2024 mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Das würde eine weitere Steigerung der Militärausgaben auf mehr als 66 Milliarden Euro bedeuten.

Im letzten Koalitionsvertrag von 2018 setzte die SPD immerhin durch, einer Steigerung der Verteidigungsausgaben nur dann zuzustimmen, wenn entsprechend auch die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe erhöht werden. Pro Peace lehnte diese Formel als unzureichend ab, weil damit das vorhandene Missverhältnis von zivilen zu militärischen Ausgaben nicht überwunden wird. Doch die Große Koalition hat dieses Versprechen aus ihrem Koalitionsvertrag ohnehin nicht eingehalten: Von 2018 bis 2021 wuchs der Verteidigungsetat um 8,5 Milliarden Euro, während für zivile Krisenprävention, humanitäre Hilfe und Entwicklung nur etwa 3,5 Milliarden Euro mehr pro Jahr ausgegeben werden.

Auch bei anderen Themen gilt es, im Wahlkampf nachzuhaken und die Wahlprogramme kritisch zu prüfen. In der laufenden Legislaturperiode sind die Rüstungsexporte allen Ankündigungen und Versprechen zum Trotz nicht reduziert worden. Friedensorganisationen fordern, Exporte strenger zu kontrollieren und Lieferungen an Länder außerhalb von EU und NATO auszuschließen. Weitere strittige Fragen betreffen Deutschlands Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag der UN, der am 22. Januar diesen Jahres in Kraft getreten ist (siehe dazu auch S. 8-11), sowie die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr. Die Mehrheiten nach der Wahl werden über diese Fragen entscheiden.

Forderungen zur Bundestagswahl
Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung hat 14 Forderungen zur Bundestagswahl 2021 veröffentlicht. Im Namen von mehr als 50 deutschen Organisationen fordert die Plattform ZKB unter anderem die Stärkung ziviler Konfliktbearbeitung im eigenen Land und in Europa, mehr Geld für den Zivilen Friedensdienst und ein Gesetz zur Kontrolle von Rüstungsexporten. Die Forderungen finden Sie hier.

Ziviler Friedensdienst wurde ausgebaut

Ein Versprechen aus ihrem Koalitionsvertrag hat die aktuelle Regierung gehalten: Der Zivile Friedensdienst wurde weiter ausgebaut und wird inzwischen mit 55 Millionen Euro pro Jahr gefördert. Außerdem hat die Große Koalition mit einem Gesetz bessere Rahmenbedingungen für den Einsatz zivilen Personals in internationalen Friedensmissionen geschaffen und ein europäisches Zentrum für zivile Friedensmissionen gegründet. Letzteres ist allerdings noch nicht viel mehr als ein kleines Sekretariat mit einer Handvoll von Mitarbeitenden.

Der für März erwartete Bericht der Bundesregierung zu den Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ wird für die Parteien im Bundestag und die Friedensorganisationen wie Pro Peace Anlass geben, Bilanz zu ziehen und Ziele und Projekte zur Stärkung von ziviler Krisenprävention und Friedensförderung für die nächste Legislaturperiode zu benennen.

Friedensarbeit im eigenen Land ernst nehmen

Nach der letzten Wahl war der Schock über den Einzug einer rechtspopulistischen und zumindest in immer größeren Teilen rechtsextremen Partei in den Bundestag noch groß. Doch daraus sind kaum politische Antworten gefolgt, um der zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Polarisierung entgegenwirken, Gewalt und Radikalisierung verhindern und eine gewaltfreie Streitkultur fördern. 

Viele Projekte in diesen Bereichen erhalten jedoch weiterhin nur kurze Finanzierungen. Pro Peace und einige andere Organisationen haben bereits vor Jahren die Kommunale Konfliktberatung entwickelt. Dieser innovative Ansatz bietet ganz praktische Unterstützung für Städte und Gemeinden, um zum Beispiel das Zusammenleben von Geflüchteten und Alteingesessenen friedlich zu gestalten und Konflikten präventiv entgegenzuwirken. Doch diese wichtige Friedensarbeit im eigenen Land ist bisher weder nachhaltig finanziert noch politisch ausreichend anerkannt. Eine unserer Forderungen zur Bundestagswahl ist deshalb, eine gesetzliche Grundlage zur nachhaltigen Förderung einer wehrhaften und lebendigen Demokratie und Ziviler Konfliktbearbeitung zu schaffen.

Eine Möglichkeit wäre ein Demokratieförderungsgesetz, wie es unter anderem die SPD vorschlägt. Aktuell scheitert die Initiative noch am Widerstand von CDU/CSU, die Bundestagswahl bietet eine neue Chance für diese Initiative neue Mehrheiten zu bilden.

Frieden – wir haben die Wahl.
Online-Veranstaltungsreihe startet im März

In einer Reihe von Online-Dialogen widmen wir uns ab März den friedenspolitischen Fragen und Themen, die zur Bundestagswahl wichtig werden. Dazu sprechen wir mit Expert*innen und stellen Kampagnen und Aktionen zum jeweiligen Thema vor. In einer zweiten Reihe werden wir ausgewählte Kandidat*innen der Parteien befragen.

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