„Es bleibt unsere Aufgabe, Alternativen aufzuzeigen“

Gerold König von der katholischen Friedensbewegung pax christi im Interview

Die deutsche Sektion von pax christi und viele ihrer Diözesanverbände und Ortsgruppen zählen seit der Gründung 1996 als Forum Ziviler Friedensdienst e. V. zu den aktivsten Mitgliedern von Pro Peace. Gerold König, heute Bundesvorsitzender der Friedensbewegung in der katholischen Kirche wirkte am Aufbau der ersten Projekte des Zivilen Friedensdienstes in Bosnien-Herzegowina und Kroatien mit. Wir sprachen mit ihm über den Zustand der Friedensbewegung und ihre Erwartungen an Pro Peace.
Gerold König spricht vor Publikum und hält ein Plakat mit Friedensaktivist*innen in die Höhe.
© Gerold König/privat

Du engagierst dich seit mehreren Jahrzehnten in der Friedensbewegung bei pax christi. Was hat dich in die Friedensbewegung gebracht und was hält dich bis heute dort?

Gerold König: Das war als 19-jähriger. Meine Kriegsdienstverweigerung wurde in der ersten Verhandlung zurückgewiesen, weil ich damals nicht wusste, was das Zweite Vatikanische Konzil zu Fragen von Krieg und Frieden gesagt hat. Für die zweite Verhandlung habe ich mir dann einen Berater gesucht und ihn bei pax christi gefunden. Und durch diese Begegnung bin ich in der Friedensbewegung und konkret bei pax christi gelandet.

Was bedeutet für dich heute Frieden?

Über diese Frage habe ich in der letzten Zeit ziemlich intensiv nachgedacht. Für mich ist Frieden untrennbar mit Freiheit verbunden. Ich glaube, dass ohne Freiheit Frieden nicht machbar ist. Seit dem Krieg in der Ukraine haben wir in der pax christi Bewegung sehr stark darum gerungen. Die Positionen reichen von unbedingter Gewaltfreiheit bis hin zu der Haltung wir müssten die Ukraine mit Waffengewalt unterstützen.

Wie seid ihr mit dieser Kontroverse umgegangen?

Pax Christi steht nach wie vor für Gewaltfreiheit. Dafür stehen wir und das wollen wir auch durchsetzen. Aber es gibt Situationen, wo auch eine Waffenlieferung zugelassen werden kann. Aber in erster Linie stehen wir an der Seite der Leidenden und an der Seite Derer, die von diesem Krieg betroffen sind - und das nach Möglichkeit gewaltfrei.

Lange wurde nicht mehr so heftig über Frieden gestritten wie im Moment. Wann hast du zuletzt erlebt, dass die Friedensfrage die Menschen derart bewegt hat?

Als erstes fällt mir natürlich der NATO-Doppelbeschluss ein. Diese Frage hat auch in der Friedensbewegung polarisiert, sie hat zugleich viele Menschen auf die Straße gebracht.

Und später natürlich die Jugoslawienkriege, im Kosovo die Intervention der NATO, das Umfallen der Grünen. Das waren weitere große Kontroversen. Damals ist für mich auch noch mal deutlich geworden, wie wichtig es ist, nicht nur über Frieden zu sprechen, sondern konkrete Alternativen zu Krieg und Gewalteinsatz anzubieten.

Was mich heute umtreibt ist, dass wir in der Friedensbewegung so wenig Zulauf haben, obwohl Krieg und Frieden so nah an uns herangekommen sind durch die Kriege in der Ukraine und Israel und Palästina.

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pax christi hat das Forum Ziviler Friedensdienst vor fast 30 Jahren mitgegründet und ist heute eine der großen Mitgliedsorganisationen. Mit unserem neuen Namen Pro Peace blicken wir nach vorn. Was erwartet pax christi heute, in diesen unfriedlichen Zeiten, von uns?

Für mich war der Zivile Friedensdienst immer eine Alternative zu Gewalt. Angefangen hat es als Arbeit in Nachkriegssituationen im ehemaligen Jugoslawien. Daraus hat sich eine wichtige Präventionsarbeit entwickelt, die Kriege wie damals in Jugoslawien mit verhindern kann, vor allem indem sie die Friedenskräfte in der Zivilgesellschaft stärkt.  Das war und ist für mich immer noch eine ganz wichtige Aufgabe. Immer wichtiger finde ich heute auch, an Konflikten in Deutschland zu arbeiten. Wir brauchen auch hier mehr Fachkräfte für zivile Konfliktbearbeitung, für Gewaltfreiheit.  Und mehr noch: Wie kann es uns gelingen, das Thema Gewaltfreiheit in Schulen, ja in die ganze Breite der Gesellschaft zu tragen? Das ist für mich eine drängende Frage und dafür brauchen wir auch Pro Peace. Darum unterstützen wir euch weiter als pax christi Bewegung.

Viele Friedensbewegte verzweifeln, ja resignieren, angesichts der Kriege und der Aufrüstungsrethorik. Was macht dir Hoffnung und treibt dich an?

Die Herausforderungen sind tatsächlich sehr, sehr groß. Aber resignieren passt nicht zu mir, und es passt auch nicht zu pax christi. Es bleibt unsere Aufgabe, Alternativen aufzuzeigen und der Politik deutlich zu machen, dass eine große Gruppe von Menschen immer mehr Gewalt und Krieg nicht hinnimmt und bereit ist, sich zu engagieren und aktiv Änderungen herbeizuführen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Christoph Bongard.