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Serbien: „Beim Gedenken geht es nicht nur um Trauer“

Pro Peace erinnert an die Tragödie in Novi Sad

Der erste Jahrestag des tragischen Einsturzes des Bahnhofsdachs in Novi Sad ist ein Moment des Gedenkens, aber auch eine Bewährungsprobe für Verantwortung und Rechenschaftspflicht. Das Mitgefühl von Pro Peace gilt den Opfern und Überlebenden des Einsturzes sowie den Familien, die weiterhin auf Aufklärung warten.
Novi Sad Railway Station
© Dinko Gruhonjić

Am 1. November jährt sich der Einsturz des Bahnhofsvordachs in Novi Sad zum ersten Mal. Die Tragödie kostete 16 Menschen das Leben und löste die größte Protestbewegung in Serbien seit dem Sturz des Milošević-Regimes aus. Seit zwölf Monaten gehen Studierende und Bürger*innen auf die Straße. Sie protestieren gegen Korruption und fordern Gerechtigkeit sowie strukturelle und institutionelle Reformen in Serbien.

Unterdessen herrscht unter Präsident Vučić ein zunehmend autoritäres Klima. Der Druck auf zivilgesellschaftliche Organisationen und unabhängige Medien verschärft sich immer weiter. Ihr Einsatz für Dialog, Rechenschaftspflicht und Menschenrechte ist daher wichtiger denn je. Was als Ruf nach Aufklärung begann, hat sich längst zu einer breiteren Forderung nach Gerechtigkeit, Transparenz und Rechenschaftspflicht entwickelt. Am ersten Jahrestag steht fest: Die Tragödie hat sich sowohl in das individuelle als auch in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Es ist ein Mahnmal für Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht und längst Teil des gesellschaftlichen und historischen Diskurses in Serbien – unabhängig davon, wie die weitere Entwicklung aussehen wird oder wie sich die politische Landschaft verändern mag.

Nataša Govedarica

Eine Gesellschaft, die lernt, sich ehrlich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, legt den Grundstein für Gerechtigkeit und Vertrauen.

Nataša Govedarica, Landesdirektorin von Pro Peace in Serbien

2025 steht im Zeichen vieler bedeutender Jahrestage im Westlichen Balkan, darunter der 30. Jahrestag des Völkermords von Srebrenica, des Dayton-Abkommens und der Operation Sturm sowie das Endes des Zweiten Weltkriegs. Der Ansatz von Pro Peace im Westlichen Balkan legt großen Wert auf eine konstruktive und multiperspektivische Reflexion über historische Verantwortung. Dies trägt zu einem Verständnis der gesellschaftlichen, institutionellen und ethischen Dimensionen solcher Ereignisse bei. Der erste Jahrestag der Tragödie in Novi Sad ist ein Moment des Gedenkens, aber auch eine Bewährungsprobe für Verantwortung und Rechenschaftspflicht. Das Mitgefühl von Pro Peace gilt den Opfern und Überlebenden des Einsturzes sowie den Familien, die weiterhin auf Aufklärung warten. Ihre Beharrlichkeit erinnert uns daran, dass echtes Gedenken untrennbar mit Rechenschaftspflicht verbunden ist.

„Wir müssen uns fragen, welche Bedeutung ein Jahrestag in unserem kollektiven und individuellen Gedächtnis hat, wie er unsere Gesellschaften prägt und inwiefern das Gedenken an Opfer und Überlebende unsere Zukunft beeinflusst“, betont Nataša Govedarica, Landesdirektorin von Pro Peace in Serbien. „Eine Gesellschaft, die lernt, sich ehrlich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, legt den Grundstein für Gerechtigkeit und Vertrauen.“ 

Pro Peace fördert im Westlichen Balkan eine konstruktive und multiperspektivische Auseinandersetzung mit historischer Verantwortung. Dies gelingt dank der engen Zusammenarbeit mit lokalen Partnern, der Zivilgesellschaft, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Medien und Lehrkräften. In der Region und weltweit trägt die Arbeit von Pro Peace dazu bei, dass sich Gesellschaften nicht nur an historische Ereignisse erinnern, sondern daraus auch Lehren für die Gegenwart ziehen. 

Alexander Mauz, Vorstandsvorsitzender von Pro Peace, erklärt: „Beim Gedenken geht es nicht nur um Trauer, sondern auch um Verantwortung. Gedenken erfordert Transparenz und Respekt. Nur dann wird es zu einem gemeinsamen Akt des Lernens und der Veränderung, der Gesellschaften dabei hilft, Schweigen und Polarisierung zu überwinden und Verständnis und Solidarität zu erreichen.“

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