Das Gebäude in dem unsere Büros liegen, hat eine interessante Geschichte. Es stand nahe der grünen Linie während des libanesischen Bürgerkriegs, die Beirut in zwei Teile getrennt hat. Es war auch lange Zeit das Zuhause der Satirezeitschrift ad-Dabbour. Was ist die Geschichte des Gebäudes?
Mein Vater, der 1914 geboren wurde und 1980 starb, baute das Gebäude als Zuhause für seine Familie und als Büro für das Magazin, mit einem Raum für die Druckmaschinen. Ich habe hier während meiner Kindheit gewohnt und meine Mutter lebt immer noch hier. Das Gebäude wurde in den 1950ern errichtet. Mein Vater hatte zwar viele Angebote für andere Standorte, aber dachte, es wäre besser hier zu sein. Das Museum nebenan stand damals an der Grenze des Stadtzentrums. Es gab viele grüne Felder und es war eine wichtige Gegend. Nur wenige Jahre später wurde dieses Gebiet zum Mittelpunkt der Stadt.
Das Magazin war damals die einzige Satirezeitschrift und sehr bekannt. Gedruckte Magazine waren damals sehr wichtig, nicht nur im Land, sondern auch für die vielen im Ausland lebenden Libanesen. Wir haben Ad-Dabbour in viele Länder geschickt. Die Leute sagten, der erste Ort, den ein Auswanderer nach seiner Rückkehr sehen sollte, war das Büro des Magazins, da es eine wichtige Verbindung zwischen den Auswanderern und dem Land darstellte.
Also war ad-Dabbour ein lebhafter Ort, zu dem viele Menschen kamen und gingen?
Ja, es war ein Ort, an dem Menschen gerne waren. Politiker kamen hierher, um über Politik zu diskutieren. Alle großen Dichter gingen ein uns aus, weil ad-Dabbour das einzige Magazin war, das beliebte Gedichte veröffentlichte. Musiker kamen hierher, zum Beispiel Abdel Halim Hafiz, einer der größten Dichter und Musiker, und auch Dichter und Schriftsteller wie Micheal Naimi und Amin Maalouf, die beide gegenüber wohnten. Es war ein Ort, an den jeder kam, um Ideen zu diskutieren oder mit anderen zu teilen.
Als ich jung war, war es ein Spielplatz für mich, dort unter dem großen Tisch des Redaktionsausschuss. Der Tisch kam mir riesig vor als ich jung war, je älter ich wurde, desto kleiner erschien er.
Ich wuchs mit dem Duft von Tinte und inmitten politischer Diskussionen auf. Aber nicht jedem war es erlaubt, hierher zu kommen. Es war ein offener Ort, aber nicht für die Politiker, über die mein Vater und Onkel dachten, sie arbeiteten nicht an der Idee eines „großen Libanons“. Aber alle, denen es erlaubt war, erzählen noch heute, was für eine magische Atmosphäre hier herrschte.
Wie war es hier während des Bürgerkriegs?
Während der ersten Kriegsjahre, 1975, 76, 77, war der Museumsplatz ein schwieriger und gefährlicher Ort. Viele Scharfschützen, viele Bomben. Es war eine Durchgangstelle, von dem einen Beirut ins andere, von der „christlichen“ Ostseite zu der „muslimischen“ Westseite. Während des Kriegs, als Beirut entlang der „Grünen Linie“ gespalten war, wohnten viele Menschen in einem Teil und arbeiteten im anderem. Oder ihre Familien lebten dort. Diese Menschen mussten über den Museumsplatz. Es gab nur zwei oder drei Übergänge in Beirut, an denen man von einer zur anderen Seite kommen konnte. Der berühmteste lag am Museumsplatz.
Und es war sehr gefährlich, den Platz zu überqueren. Menschen riskierten jedes Mal ihr Leben, wenn sie zur oder von der Arbeit kamen, ihre Familien besuchten oder offizielle Angelegenheiten, zum Beispiel in Ministerien, zu erledigen hatten. Die Menschen waren damals sehr mutig. Ich weiß nicht, ob wir uns heute das Gleiche trauen würden, einen gefährlichen Ort zu überqueren, nur um zur Universität zu gehen. Die Atmosphäre war hier also denkbar schlecht. Gleichzeitig war es aber auch ein magischer Ort, ein Platz, an dem man sich versammeln und austauschen konnte. Es gab nur zwei oder drei Plätze, an denen Leute von beiden Teilen Beiruts zusammenkommen konnten. Überall sonst war das libanesische Volk geteilt: Es war dramatisch.
Wo genau waren die Kontrollpunkte?
Es gab viele Kontrollpunkte auf jeder Seite. Jeder musste durch die Kontrolle auf seiner Seite, aber in der Mitte gab es einen Bereich, der niemanden gehörte und jeder konnte dorthin kommen. Da viele Menschen Angst davor hatten, auf die andere Seite Beiruts zu gehen, trafen sie sich auf diesem Platz und in ad-Dabbour, aus West und Ost.
In den ersten Jahren des Krieges gab es hier viele Meetings. Politiker aus Beirut und anderen Teilen des Landes trafen sich hier, Journalisten von anderen Zeitungen schrieben ihre Artikel hier. Was jetzt euer Büro ist, war der Versammlungsort für Intellektuelle und Politiker. Journalisten, Politiker, Christen, Muslime konnten hierher kommen, von rechts- sowie linksorientierten Parteien.
Zu der Zeit befand sich auch das libanesische Parlament hier in der Gegend. Es war der einzige Ort an den alle kommen konnten – deshalb gibt es hier auch so viele Ministerien. Dieser Ort gehörte allen, nicht nur Muslimen oder Christen. Das Gebäude gegenüber von ihrem Büro wurde als neuer Parlamentssitz gebaut. Als sie nach dem Krieg das alte Parlamentsgebäude in der Stadtmitte wieder nutzen konnten, ging der Neubau an eine Universität.
Die Grenzen sind heute präsent in den Köpfen der Menschen. Sie reden immer noch von Ost-Beirut und West-Beirut. Der Museumsplatz ist der einzige Ort, von dem keiner sagen kann, ob er zu Ost-oder West-Beirut gehört. Er ist immer noch der Mittelpunkt der Stadt, der einzige Ort in Beirut, der nicht muslimisch, christlich, östlich oder westlich ist.
Wurde Ihr Magazin während des Krieges durchgängig herausgegeben?
1977 wurden wir von den Parteien sehr unter Druck gesetzt, da eine Satirezeitschrift zu Kriegszeiten nicht einfach war. Sie wollten, dass wir so schrieben, wie sie sprachen. Aber das konnten wir nicht. Also stellten die Herausgeber das Magazin ein. Das Drucken fand auch nicht mehr hier statt, sondern in dem Gebäude der Zeitung „An-Nahar“. Der Mann, der die Filme zur Druckerei brachte, ist von einem Scharfschützen erschossen worden. Wir erhielten viele Drohungen. Wir entschieden, das Magazin kurzzeitig einzustellen, da wir dachten, der Krieg wäre in ein oder zwei Jahren wieder vorbei, stattdessen dauerte er 15 Jahre.
Mein Traum war es, das Magazin erneut herauszugeben. Genau das tat ich im Jahr 2000, nachdem ich aus Paris wiederkam, wo ich zehn Jahre gearbeitet hatte. Mein Traum wurde wahr.
Wie sah die Gegend nach dem Krieg aus?
Das Museum war fast total zerstört. Das Gebäude, wo vorher das Kinderkrankenhaus gewesen war, war stark beschädigt. Unser Haus war nicht so stark betroffen, da die Zerstörung durch Scharfschützen verursacht worden war. Sie wollten Menschen daran hindern, den Platz zu überqueren, daher wurde unser Gebäude nicht oft beschossen. Die Leute haben hier weiter gelebt, selbst in den schlechten Zeiten des Krieges.
Du bist Architekt. forumZFD arbeitet an Gedenkstätten, die im öffentlichen Raum an Krieg erinnern sollen, etc. Glauben Sie, dies wird im Libanon schon gut gemacht?
Ich denke, es ist wichtig, dass heutige und zukünftige Generationen sich an den Krieg erinnern und ihn hassen. Stattdessen haben wir den Krieg geleugnet und bestritten, was wir getan haben. So was führt nur zu weiteren Kriegen.
Orte der Erinnerung zu errichten ist wichtig. Aber sie müssen unpolitisch sein – politische Orte gibt es schon genug – und frei von Religionen. Sich an den Krieg zu erinnern ist wichtig, aber das müssen wir in einer guten Art und Weise tun. Wir dürfen nicht Einzelne beschuldigen, sondern uns alle.
Außerdem sollten wir den Krieg fürchten, nicht nur wissen, dass es ihn gab. Wir brauchen Bücher und Filme, die uns den Krieg fürchten lehren. Wir haben schon ein paar dieser Filme, aber nicht genug. „West-Beirut“ ist zum Beispiel ein ausgezeichneter Film über den Bürgerkrieg.
Manchmal wird der Krieg als humorvoll dargestellt. Natürlich gab es auch lustige Zeiten. Aber wenn wir den Krieg so nehmen, wie er war, war er ganz und gar nicht lustig. Der Krieg zerstört Menschen und Architektur.
Deutschland ist ein gutes Beispiel dafür. In Deutschland, erinnert man sich an den Krieg. Wir haben hier noch nicht genug Bewusstsein für den Krieg. Wir haben eine Generation, die einen neuen Krieg anfangen will. Das ist sehr schlecht.
Am 13. April ist Gedenktag für den Bürgerkrieg. Es wird eine Veranstaltung auf dem Museumsplatz geben…
Hier geschieht alles. Es ist ein Ort, an den sich jeder erinnert, als einen guten Ort oder einen schlechten. Es ist ein Platz, an dem die Leute kommen und gehen konnten und der den Bürgerkrieg repräsentiert.
Wird Ihr Magazin etwas Besonderes für den 13. April tun?
Nein, wir sind eine Satirezeitschrift. Wir publizieren jedes Jahr am 13. April eine Karikatur, die den Krieg kritisiert, aber das Thema ist nicht sehr interessant für uns. Jetzt müssen Politiker etwas tun, wir müssen etwas in Universitäten tun. Und Menschen wie Sie können uns dabei helfen, darüber nachzudenken.