
Neshtiman Ramathan arbeitet seit Juli 2019 im neuen Programm des forumZFD im Nordirak. Die junge Frau aus der nordirakischen Stadt Duhok absolvierte im Herbst letzten Jahres den Kurs der Akademie für Konflikttransformation als Stipendiatin der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen. Zurück in ihrer Heimat stehen sie und das Team des forumZFD vor großen Herausforderungen.
Die Arbeit des forumZFD im Nordirak nimmt langsam Formen an. Während noch behördliche Formalitäten wie Arbeits- und Aufenthaltserlaubnisse für unsere Friedensfachkräfte, Genehmigungen für die Eröffnung eines Büros oder Mietverträge geklärt wurden, besuchte Neshtiman Ramathan im vergangenen Herbst den Vollzeitkurs „Friedens- und Konfliktarbeit“ der Akademie für Konflikttransformation in Königswinter. „Für mich war die gesamte Zeit der Weiterbildung das Highlight des Jahres und eine wundervolle Erfahrung fürs Leben“, erzählt die junge Frau, die in den kurdischen Gebieten im Nordirak lebt. „Es hat mir so viel gebracht – sowohl auf persönlicher als auch auf professioneller Ebene.
Vor allem viele Binnenflüchtlinge halten sich in den großen Flüchtlingscamps im Norden des Irak auf.
Die internationalen Teilnehmenden, die alle unterschiedliche Geschichten, kulturelle Erfahrungen und Konflikthintergründe mitbringen, fand ich besonders bereichernd. Außerdem hat mir der Aufbau des Kurses sehr gut gefallen. Jede Woche haben wir ein anderes Thema behandelt. Zuerst ging es darum, die eigene Rolle als Friedensfachkraft zu überdenken und zu reflektieren. In der zweiten Phase haben wir uns mit den unterschiedlichen theoretischen Ansätzen der Friedens- und Konfliktarbeit befasst. Vor allem die verschiedenen Ansätze und Werkzeuge, die wir erlernt haben, sind gerade für die Arbeit in einem solch komplexen Kontext wie im Irak unverzichtbar.“
Neshtiman Ramathan kennt sich in ihrem künftigen Arbeitsumfeld bestens aus. Sie stammt aus der Provinzhauptstadt Duhok in den kurdischen Autonomiegebieten und begann 2016, dort als Freiwillige mit Schülerinnen und Schülern sowie mit Binnenflüchtlingen zu arbeiten.
Gerade die Region um die ehemalige IS-Hochburg Mossul ist stark zerstört und Kriegstrauma sitzen tief.
In der Region Ninewa arbeitete sie ab 2017 für die Deutsche Welthungerhilfe und half, die Situation von Geflüchteten zu verbessern. Sie nennt vor allem ethnische Identitätsfragen als einen wichtigen Konfliktfaktor vor Ort – und zwar sowohl politische als auch religiöse Zugehörigkeiten. Ein Blick auf die irakische Gesellschaft macht das nachvollziehbar: Die Region vereint so verschiedene Bevölkerungsgruppen wie Sunniten, Kurden, Christen, Schabaken, Kakai, Turkmenen, Schiiten und Jesiden.
„Die Menschen haben unterschiedliche Perspektiven und Orientierungen und teilen sich deshalb in Gemeinschaften auf, die zurzeit nicht immer friedlich und ohne Spannungen miteinander leben können“, sagt Neshtiman. „Besonders in der Region Ninewa im Nordirak, wo wir hauptsächlich arbeiten werden, gibt es eine sehr vielfältige Gesellschaft. Das Vertrauen in die politischen Parteien ist sehr gering, und die Gesellschaft erholt sich noch immer von den Schrecken der IS-Herrschaft. Es gibt nach wie vor eine große Zahl von Binnenflüchtlingen, unzureichende oder zerstörte Infrastruktur und ständige Spannungen zwischen politischen und religiösen Gruppen. Es wird lange Zeit dauern, um diese Konflikte und Probleme nachhaltig zu lösen.“
In Erbil im Nordirak richtet das forumZFD aktuell ein neues Programmbüro ein
Die junge forumZFD-Mitarbeiterin möchte sich am liebsten auf Fragen der Geschlechtergerechtigkeit spezialisieren. Denn vor allem Frauen sind im Irak immer wieder Opfer von Gewalttaten und Menschenrechtsverletzungen, sagt sie. So sieht Neshtiman Ramathan den Friedensprozess im Irak auch als Chance für die Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen: „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Stärkung der Rolle von Mädchen und Frauen in der Friedens- und Versöhnungsarbeit zu mehr Gleichberechtigung beiträgt und zugleich die Entwicklung der irakischen Gesellschaft fördert.“ Sie sagt das in einem Grundton der Überzeugung, dass sofort zu spüren ist, mit welchem Engagement sie ihre Aufgaben im Nordirak angehen wird. Eine leichte Aufgabe jedenfalls hat sie sich nicht vorgenommen.
Die Akademie für Konflikttransformation im forumZFD ist ein Lernort für professionelle Friedens- und Konfliktarbeit. Unsere Bildungsarbeit basiert auf der Überzeugung, dass gewaltfreie, konstruktive Konfliktbearbeitung lehr- und erlernbar ist. Mehr als 600 Absolventinnen und Absolventen sind heute in zahlreichen Ländern weltweit als Friedensfachkräfte tätig.
Mehr Informationen zur Akademie für Konflikttransformationen und ihren Angeboten finden Sie unter: www.forumZFD-akademie.de.