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Gegen das Vergessen

Ein Abend zur Vergangenheitsbewältigung

Im Libanon beschäftigen sich viele Initiativen mit der Bürgerkrieg-Vergangenheit des Landes. Eine Datenbank von forumZFD und Lebanon Support trägt diese Akteure zusammen. Das Ergebnis wurde nun vorgestellt.
Mapping Study Event 1
© forumZFD/Maha Mneimeh

Im Programmbereich „Dealing with the Past“ des forumZFD benutzen wir Dialoge über historische Konflikte, um eine friedliche Zukunft zu ermöglichen. Vor 29 Jahren beendete das Abkommen von Ta‘if den langen Bürgerkrieg im Libanon (1975-1990). Bisher war der Dialog über die konfliktreiche Vergangenheit des Landes schwierig. Trotzdem versucht die Zivilgesellschaft, den Prozess der Vergangenheitsbearbeitung voranzubringen. Auf der Veranstaltung am 18. September 2018 in Beirut haben forumZFD und sein Partner Lebanon Support eine Mapping-Studie präsentiert. Ziel war es, eine Bestandaufnahme von Initiativen zwischen 1990 und 2017, die sich mit der Vergangenheit des Libanon befassen, zu erstellen.

Ein Dialog über vergangene Konflikte beinhaltet immer das Risiko, neue Konflikte zu entfachen. Daher müssen Prozesse der Vergangenheitsbearbeitung in Post-Konflikt-Gesellschaften immer vorsichtig ausgeführt werden und alle verschiedenen Gruppen der Gesellschaft miteinbeziehen. Die Regierung und große Teile der libanesischen Gesellschaft waren bis jetzt entschlossen, keinen Dialog über die Vergangenheit anzustreben. Sie förderten stattdessen eine „kollektive Amnesie“. Durch das Amnestiegesetz von 1991 wurde die Mehrheit der Täter nicht bestraft und zahlreiche Menschenrechtsverstöße und Grausamkeiten nie öffentlich angesprochen. Ein Erlass in 2014 zwang das Committee of Inquiry in the Fates of the Missing and Forcibly Disappeared, seine Akten zu veröffentlichen. Der Prozess zeigte jedoch, wie wenig in der Untersuchung zu den verschwundenen Personen im Bürgerkrieg bisher passiert ist.

Das Recht auf Wahrheit ist ein wichtiger Teil der Vergangenheitsbearbeitung und eine Voraussetzung für Versöhnung. Die passive Haltung der libanesischen Regierung hat den Aufbau eines konstruktiven Dialogs über die Vergangenheit erschwert. Andererseits hatten zivilgesellschaftliche Organisationen und Einzelpersonen so die Möglichkeit, eigene Initiativen zu starten. Um solche Initiativen zwischen 1990 und 2015 zu sammeln, initiierte das forumZFD 2015 die Studie. Die entstandene Datenbank wurde dann von Lebanon Support in ihrem Civil Society Knowledge Center veröffentlicht. Nachdem das forumZFD und Lebanon Support sich entschieden hatten ihre Partnerschaft weiterzuführen, ergänzte Lebanon Support die Datenbank mit Initiativen von 2015 bis 2017.

© forumZFD/Maha Mneimeh

Fehler nicht wiederholen

Eine Veranstaltung am 18. September 2018 zeigte der Öffentlichkeit, wie viel schon im Feld der Vergangenheitsbearbeitung im Libanon passiert ist. Außerdem bot sie die Gelegenheit, über zukünftige Bedürfnisse und Ideen für Versöhnungsinitiativen zu sprechen. Vor allem, da allein schon die Anzahl von Akteuren, die in den 156 aufgenommenen Initiativen tätig sind, eine große Chance für zukünftige Projekte darstellt. Jenny Munro, die Programmleiterin von Dealing with the Past, sagte auf der Veranstaltung: „Das forumZFD unterstützt seine Partner dabei, sich mit den vielen Narrativen zu umstrittenen historische Ereignisse auseinanderzusetzen. Eine Strategie ist, mit Akteuren vor Ort zu arbeiten und auf Synergien zu setzen. Wir hoffen, dass die Datenbank zivilgesellschaftliche Akteuren, politische Entscheidungsträgern und Forschern dabei helfen wird, die Vergangenheitsbearbeitung im Libanon voranzutreiben.“

Nach einer kurzen Einführung in die Datenbank und den Bericht über die Mapping-Studie, geschrieben von Mia Bou Khaled, luden forumZFD und Lebanon Support sechs Redner ein. Sie sprachen über ihre eigenen Erfahrungen mit Initiativen, die sich mit der Vergangenheit Libanons befassen, und erklärten, wieso dieser Bereich für sie persönlich wichtig ist. Theatermacherin und Gründungsmitglied der Zoukak Theatre Company Lamia Abi Azar eröffnete das Panel mit einer kurzen Performance über den Bürgerkrieg und Erinnerung in Libanon.

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Die Philosophie- und Designstudentin Yara Ayoub und Hala Abi Saleh, eine junge Politikwissenschaftlerin, erzählten wie ihre Lebensgeschichten sie zusammen und zu einer Initiative der Nichtregierungsorganisation Fighters for Peace führten. Fighters for Peace wurde von zwei ehemaligen Kämpfern im Bürgerkrieg gegründet. Sie hatten sich gemeinsam entschieden, Frieden und Versöhnung zwischen den zahlreichen Ex-Kämpfern im Libanon und unter der Jugend zu fördern. Sie wollten verhindern, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Hala erzählte, dass sie sich engagierte, weil sie Fragen über den Bürgerkrieg hatte, die ihre Eltern und Schullehrer nicht beantworteten. Vor allem, nachdem sie herausfand, dass ihr Vater am Krieg „teilgenommen hatte“, wollte sie den Dialog fördern und Menschen die Fragen beantworten, die sie auch schon hatte.

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Gegen das Vergessen

Die Gründerin und Leiterin des Committee of the Families of Kidnapped and Disappeared in Lebanon, Wadad Halwani, erzählte wie schwierig es war für ihr Recht zur Wahrheit zu kämpfen. Schon seit 40 Jahren arbeitet sie daran, die Schicksale derjenigen zu erfahren, die während des Bürgerkriegs verschwunden sind. Ihr Ehemann wird seit 1982 vermisst, zwei Polizisten hatten ihn ohne Warnung weggeführt. Wadad Halwani’s Ehemann ist einer von rund 17.000 Vermissten. Für sie ist klar, dass „wir immer noch in der Vergangenheit feststecken und immer noch damit ringen, sie zu bewältigen“. Nayla Hamadeh, die Präsidentin der Lebanese Association for History, verkündete während der Veranstaltung auf Twitter: „Der Fall der erzwungenen Verschwundenen ist einer von vielen wichtigen Fällen des Bürgerkriegs.“

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Ghassan Moukheiber, ehemaliges Mitglied des libanesischen Parlaments und Menschenrechtsaktivist, glaubt, dass die Vergangenheitsbearbeitung im Libanon nicht ohne die Kooperation von Zivilgesellschaft und Politik möglich ist. Obwohl Politiker bis jetzt untätig blieben, hält er es für möglich, dass das aktive Engagement der Zivilgesellschaft zu einer Zusammenarbeit von politischen und zivilen Kräften führen kann. Ghassan Moukheiber betont außerdem, dass man die vermissten Menschen nicht vergessen darf. He sagte zum Publikum: „Mich interessiert die Symbolik von Kriegsdenkmälern. 1999 schlug ich vor, einen Park für die Vermissten im Tal von Beirut anzulegen. Er symbolisiert einen Friedhof und gibt den Familien einen Ort, um ihrer Vermissten zu gedenken.“

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Die Veranstaltung dokumentierte die vielfältigen Bemühungen, hauptsächlich durch die lokale Zivilgesellschaft, sich mit dem Prozess der Vergangenheitsbearbeitung zu befassen. Diverse Akteure aus Politik, Zivilgesellschaft, Kunst und dem Bildungssektor unterstützen die Versöhnungsbemühungen, um eine Wiederholung der gewaltsamen Vergangenheit zu verhindern. forumZFDs Programmbereich Dealing with the Past unterstützt diese Akteure und die Datenbank informiert die Öffentlichkeit besser über die Bemühungen zur Vergangenheitsbearbeitung.

 

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