Zum 25. Jubiläum des forumZFD hat Jabbar Abdullah, Kölner Archäologe und Autor mit syrischen Wurzeln, folgendes Grußwort an uns gerichtet:

Wenn es keine Kriege und Konflikte gäbe, bräuchten wir als Bewohner*innen dieses schönen Planeten nicht das Wort Frieden. Denn Frieden wäre ein natürlicher Zustand, der unabsichtlich in unserem Leben vorhanden wäre – ein Zustand, der der Existenz von Luft, Sonne, Familie und Brot ähnelt. Leider brechen jedoch von Zeit zu Zeit Kriege aus. Manchmal in Japan, manchmal in Deutschland und Jugoslawien, im Irak, in Afghanistan und jetzt in Syrien. Die Bewohner*innen dieser Gebiete werden ihrer Familie und des Brotes beraubt. Die Luft verwandelt sich in giftige Gase und die Sonne trocknet das Blut, das durch Kugeln und Beschuss vergossen wird.

Als ich jung war, hatte ich kein Interesse daran, über den Krieg zu sprechen. Mein Vater aber sprach mit seinen Freund*innen über den Libanonkrieg oder den Krieg des Iraks gegen Kuwait. Das Wort hatte für mich keine besondere Bedeutung. Es hätte auch ein Kampf zwischen eisernen Maschinen in einer großen Wüste ohne Menschen sein können; so wie ich sie in Kinderprogrammen gesehen habe.

Im Alter von vierzehn Jahren, als der Irakkrieg 2003 stattfand, änderten sich das Konzept und das Verständnis von Krieg für mich. Zu dieser Zeit wurde unser Zuhause zu einem Zentrum, um Nachrichten zu hören und die Schnelligkeit der Ereignisse zu verfolgen. Jeden Abend war unser Haus mit nicht weniger als 20 Menschen gefüllt. Alle Gespräche drehten sich um Sieg und Niederlage. Ich glaube nicht, dass ich an diesen Abenden das Wort Frieden hörte. Damals erkannte ich durch den Fernseher die Bedeutung von Krieg.

Acht Jahre nach dem Irakkrieg begann der Krieg in Syrien, nachdem das Volk 2011 versucht hatte, sich der Diktatur zu widersetzen, um freie Meinungsäußerung und ein gutes Leben einzufordern. Der Krieg wurde für mich unausweichlich und ein echtes Ereignis, das mich, meine Familie und die Freund*innen meines Vaters verfolgte. Die Flucht war der einzige Weg, um Frieden und Sicherheit für unsere verängstigten und zerstreuten Seelen zwischen den Ländern Europas und des Ostens zu sichern. Der Raum, in dem ich damals die Kinderprogramme angeguckt hatte und später mit den Freund*innen meines Vaters den Irakkrieg verfolgte, wurde mit einer Rakete aus einem Kampfflugzeug bombardiert.

Für uns alle, die Bewohner*innen dieses Landes, in dem gestern unsere Eltern und Großeltern lebten, in dem wir heute leben und morgen unsere Kinder, wird der Krieg zwangsläufig zur Realität – wenn die Menschheit weiterhin nur über Stärke, Niederlage oder Sieg spricht. Deshalb brauchen wir dringend Organisationen und Verbände, Institutionen und Universitäten, die über Frieden sprechen und daran arbeiten, diesen zur erreichen. Organisationen, die der Organisation ähneln, auf die ich stolz bin: das forumZFD. Eine Organisation mit einer menschlichen Geschichte, einer effektiven Rolle und mit einer besonderen Arbeitsweise, bei der nicht nur über Frieden als Beobachtung von außen gesprochen wird. Sondern eine Organisation, die mit all der Energie ihrer Mitglieder versucht, ihre Ziele vor Ort unter echter Beteiligung und aufrichtiger Integration mit den Bewohner*innen des geografischen Zielgebietes umzusetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass ich 2020 Ihre Arbeit und Ihre Rolle darin kennenlernen durfte, ein gesundes Leben zu ermöglichen, das Konflikte und Kriege in der Welt angeht und auf akademische Weise Frieden erreichen will. Mein größtes Glück ist es, Teil Ihres 25-jährigen Jubiläums zu sein.

Am 30. November 2020 sprachen wir in einer Online-Lesung mit Jabbar Abdullah über sein Buch "Raqqa am Rhein". Hier kommen Sie direkt zur Aufzeichnung der Veranstaltung.