
Über die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung war auch das forumZFD an der Planung der Konferenz beteiligt. In einem eigenen Forum diskutierte der für das forumZFD tätige Konfliktberater Hagen Berndt mit dem politischen Analysten Dr. Stefan Steinicke über das Konfliktpotenzial von Landflucht in Städten des Globalen Südens. Es moderierte die Geschäftsführerin der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, Ginger Schmitz.
Seit 2013 leben weltweit mehr Menschen im städtischen Raum als auf dem Land. Innerhalb der nächsten 30 Jahre werden weitere 3,5 Milliarden Städterinnen und Städter dazukommen. Steinicke sieht beim Zukunftstrend Urbanisierung zwei Entwicklungen: „Es wird smarte, nachhaltige Städte geben und chaotische, scheiternde Städte, etwa geprägt von informellen Siedlungen.“ Die letztgenannte Entwicklung sei für die meisten Regionen im Globalen Süden zu befürchten, wenn man nicht jetzt gegensteuern würde.
Deshalb appellierte Dr. Steinicke für eine stärkere Fokussierung der deutschen Außenpolitik auf den urbanen Raum: „Jahrzehntelang legte die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ihren Fokus auf das Land.“ Da heutzutage mehr Menschen in Städten als auf dem Land lebten, sei es nur folgerichtig, auch mehr Geld in die Städte zu lenken.
Von einer Bevorzugung des ländlichen Raums könne weder im Globalen Süden, noch in Deutschland die Rede sein, widersprach hingegen Hagen Berndt. Gerade die Tatsache, dass die politischen Eliten vieler Länder den ländlichen Raum aus den Augen verloren hätten, würde zu einer Verelendung der ländlichen Bevölkerung und somit zu Rebellionen, Extremismus und einem Anstieg der Kriminalität führen. „Es gibt sie: die politisch Verlassenen, die keinen mehr interessieren.“
Dieses Phänomen ließe sich in Burundi oder Indien genauso beobachten wie in Deutschland, so Berndt, der als Konfliktberater nicht nur im Globalen Süden, sondern auch in deutschen Kommunen tätig ist: „Die Ereignisse in Chemnitz etwa wären ohne ländliche Rückzugsräume der Rechtsextremen im Umland nicht denkbar gewesen.“ Berndts dringender Appell: Man müsse auf eine systemische Herangehensweise setzen und städtische und ländliche Räume zusammendenken.
Viele andere Programmpunkte der Konferenz griffen ebenfalls Konfliktthemen auf: So beschäftigten sich andere Foren etwa mit „Rechtsextremismus und Jugend in Stadt und Land“ oder der Frage, ob Städte ökologische und soziale Krisenherde oder doch eher „Pioniere des Wandels“ seien.
Luise Steinwachs, Vorstandsmitglied des Verbands Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe (VENRO), kam bereits bei ihrem die Konferenz eröffnenden Vortrag zu einem salomonischen Urteil: „Es gibt ein Kontinuum von Stadt und Land: Die meisten Menschen leben in Kleinstädten. Stadt und Land sind voneinander abhängig, etwa in Fragen der Ernährung. Nichtsdestotrotz kann die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung nur umgesetzt werden, wenn die Entwicklung der Stadt berücksichtigt wird.“