Mehr Frieden war nie, weniger aber auch nicht

Kommentar zur aktualisierten Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung

27 Mal kommt das Wort Frieden in der am Mittwoch von der Bundesregierung verabschiedeten, aktualisierten Version der Nachhaltigkeitsstrategie (NHS) vor. Mit der NHS legt die Bundesregierung fest, wie sie die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung bis 2030 umsetzen will.
Ein Kugelschreiber und ein Flyer des forumZFD liegen auf einer Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie von 2016
© forumZFD

Die 27-fache Nennung klingt beeindruckend, zumal die Bundesregierung in ihrer Strategie verspricht, Frieden „als Kernziel (…) in den Fokus ihrer Arbeit“ zu stellen. Ebenso konsequenter wie erfreulicher Weise nennt die Bundesregierung dazu auch die 2017 verabschiedeten Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ als wichtiges Umsetzungsinstrument.

Ist die NHS damit friedenspolitisch ambitioniert ausgefallen? Leider nein. Denn da, wo die Bundesregierung von Frieden spricht, meint sie in erster Linie Sicherheit, Verteidigung und einen vernetzten Ansatz ziviler und militärischer Mittel. Bestes Beispiel ist hier der Zusammenhang, in dem die erwähnten Leitlinien im Dokument genannt werden: Diese sollen nämlich „zusammen mit dem Weißbuch 2016 ‚Zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr‘ und dem Entwicklungspolitischen Bericht der Bundesregierung 2017 die Grundlage für das friedenspolitische Handeln Deutschlands“ bilden, so die Bundesregierung.

Auch die in der NHS genannten Indikatoren bleiben in Bezug auf das Friedensziel 16 vage. Leider hat die Bundesregierung schon im Vorfeld keine neuen Indikatoren für das Friedensziel 16 zugelassen. Für die Messung einer friedlichen Gesellschaft im Inneren ist die bloße und unterschiedslose Messung von Straftaten von Betrugsdelikten über Wohnungseinbrüchen bis zu Gewalttaten aber absolut unzureichend. Auch die in der Strategie genannten mindestens 15 durchgeführte Projekte zur Sicherung, Registrierung und Zerstörung von Kleinwaffen und leichten Waffen als deutscher Beitrag zum Frieden in der Welt lassen keinen erkennbaren Willen der Bundesregierung zur Umsetzung des Friedensziels in und durch Deutschland erkennen. Nötig wären präzise Indikatoren zur Gewaltentwicklung im Inland, zu Friedensförderung im Ausland, zu Rüstungsexporten und zur Abrüstung der Bundeswehr (siehe auch HIER).

Die aktuellen Haushaltsverhandlungen zeigen, wo die Bundesregierung faktisch ihre Prioritäten setzt: Während das Verteidigungsministerium mit einem massiven Zuwachs von rund vier Milliarden Euro rechnen darf, erhöht sich das Etat des Entwicklungsministeriums um lediglich 520 Millionen Euro und der Etat für den Zivilen Friedensdienst um zehn Millionen Euro.

Ähnliches ist auf Europäischer Ebene zu befürchten: Hier sollen die Mittel für zivile Friedensförderung im neuen Finanzrahmen 2021-2027 sogar von 2,3 Milliarden Euro auf eine Milliarde Euro gekürzt werden. In ihrer NHS kündigt die Bundesregierung an, sich für eine Ausrichtung des neuen EU-Finanzrahmens an der Agenda 2030 einzusetzen. Wenn die Bundesregierung das und die Fokussierung ihrer Arbeit auf Frieden ernst meint, muss sie eine Kürzung der EU-Gelder für zivile Friedensförderung verhindern und auch in Deutschland diesen Bereich finanziell stärken.