Bundestagswahl: Kandidierende stellen sich den Fragen von Friedensinitiativen

Bei einer Podiumsdiskussion von Pro Peace diskutierten Politiker*innen über Friedenspolitik, Entwicklungszusammenarbeit und Deutschlands Rolle in der Welt

Im kurzen Wahlkampf vor der Bundestagswahl gibt es kaum Themen, die nicht polarisieren. Gerade die öffentliche Debatte über den Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten wird hochemotional und häufig verkürzt geführt. In diesen aufgeheizten Zeiten hat Pro Peace im Rahmen einer Podiumsdiskussion eingeladen, zum Thema Krieg und Frieden ins Gespräch zu kommen und zu diskutieren, wie Deutschland zum Frieden in der Welt beitragen kann. Mehr als 200 interessierte Bürger*innen waren der Einladung gefolgt.
Ein Podiumsgespräch im Bürgerzentrum Ehrenfeld
© Pro Peace

Am 3. Februar 2025 stellten sich Vertreter*innen sechs verschiedener Parteien im Bürgerzentrum Ehrenfeld den Fragen von Kölner Friedensinitiativen und interessierten Bürger*innen. Hierbei standen Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine und die Eskalation im Nahen Osten im Vordergrund.

In einer ersten Runde befragten ein Vertreter des Kölner Friedensforums und ein Kriegsdienstverweigerer aus der Ukraine die Abgeordneten. Sie wollten unter anderem wissen, wie sie zu den immer höheren Rüstungsausgaben Deutschlands und der NATO-Staaten stehen. Dabei verwiesen sie auf die Forderungen des NATO-Generalsekretärs Mark Rutte, die Rüstungsausgaben über das 2%-Ziel hinaus zu erhöhen. Gisela Manderla (CDU) fand hierfür klare Worte: „Ja, wir brauchen mehr Ausgaben für Rüstung.“ Ihre Forderung begründete sie mit Russlands hybrider Kriegsführung, von der Deutschland beispielsweise durch Cyberattacken schon jetzt bedroht sei. Sie gab außerdem zu bedenken, dass sich Russlands Präsident Vladimir Putin schon in der Vergangenheit an keine Abkommen gehalten habe.

Der Vertreter der Linken, Ulrich Thoden, sah das anders und zeigte sich überzeugt: „Mehr Waffen schaffen nicht mehr Frieden.“ Statt immer höherer Rüstungsausgaben forderte er eine Diskussion, wie man Konflikte „ohne Säbelrasseln“ lösen könne und sprach sich für ergebnisoffene Verhandlungen aus. Auch Andrej Hunko (BSW) machte sich für Verhandlungen stark und kritisierte, dass es diesbezüglich noch keine Initiative der Europäischen Union gegeben habe. Ihm zufolge müsse diese Initiative von Deutschland und Frankreich ausgehen.

Sanae Abdi von der SPD rief zur Besonnenheit auf. Ihrer Ansicht nach sei die Unterstützung der Ukraine richtig, Abrüstung und Rüstungskontrolle müssten aber komplementär mitgedacht werden. So forderte sie eine Intensivierung der Entwicklungszusammenarbeit in der Ukraine, um die Zivilgesellschaft zu unterstützen.

Angesprochen auf eine Statistik, der zufolge die europäischen NATO-Staaten wesentlich mehr Geld für ihr Militär ausgeben als Russland, konnte Sara Nanni von den Grünen für Klarheit sorgen. Das Kriegsgerät der NATO-Staaten sei teurer in der Herstellung, da ein möglichst guter Schutz der Soldat*innen gewährleistet sein soll. Russland hingegen nehme den Verlust von Menschenleben billigend in Kauf. Hinzu komme die Besoldung der Soldat*innen, die in den NATO-Staaten wesentlich höher sei. Sie selbst halte es für möglich, dass der Aggressor Russland willens sei, seine Gewalt auszuweiten und halte höhere Ausgaben für das deutsche Militär für unausweichlich.

Von links nach rechts: Maria Westphal (FDP), Gisela Manderla (CDU), Ulrich Thoden (Die Linke), Christoph Bondgard (Pro Peace), Andrej Hunko (BSW), Sanae Abdi (SPD), Sara Nanni (Die Grünen)

In der zweiten Fragerunde kam Alexander Mauz, Vorstandsvorsitzender von Pro Peace, auf den Nahost-Konflikt zu sprechen und fragte, welche Initiativen die Parteien nach der Wahl ergreifen werden, um einen gerechten Frieden in der Region voranzubringen. Sara Nanni (Grüne) warnte davor, die Rolle Deutschlands im Nahen Osten zu überschätzen, sie sehe keine Anknüpfungspunkte für Verhandlungen. Deutschland habe hinter den Kulissen am Geiseldeal mitgearbeitet, humanitäre Hilfe geleistet und somit das Äußerste getan. Auch Sanae Abdi (SPD) berief sich auf bisherige Bemühungen Deutschlands im Nahen Osten und verwies auf das Hilfswerk UNRWA für Palästina-Geflüchtete, dessen größter Geldgeber Deutschland sei. Die Sozialdemokratin forderte doppelte Solidarität mit beiden Seiten und machte sich für die Einhaltung des Völkerrechts als Resultat der historischen Verantwortung stark. Perspektivisch müsse man auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinarbeiten.

Andrej Hunko gingen diese Forderungen nicht weit genug. Das BSW lehne Waffenlieferungen an Israel ab. Zwar sei die Verurteilung des Terrorakts der Hamas selbstverständlich, aber nichts verpflichte zu einer „bedingungslosen Solidarität mit einer rechtsradikalen israelischen Regierung“. Er kritisierte zudem die einseitige Positionierung Deutschlands an der Seite Israels vor dem Internationalen Gerichtshof und forderte die Anerkennung Palästinas als souveränen Staat. Im Gegensatz dazu sprach sich Maria Westphal (FDP) für die Unterstützung Israels aus - nicht zuletzt, weil es die einzige Demokratie im Nahen Osten sei. Auch Gisela Manderla machte deutlich, dass die CDU fest an der Seite Israels steht. Beide waren sich einig, dass eine Zwei-Staaten-Lösung am besten geeignet wäre, für Stabilität in der Region zu sorgen.

Laut Ulrich Thoden (Die Linke) habe Deutschland falsch auf die Entwicklungen im Nahen Osten reagiert. Gewalt könne niemals eine Rechtfertigung für Gegengewalt sein. Er kritisierte das Schweigen der deutschen Regierung zu den Angriffen Israels und beschuldigte sie, ihre historische Verantwortung falsch verstanden zu haben. Der Forderung nach einer Zwei-Staaten-Lösung schloss er sich an.

Als Vorstandsvorsitzender von Pro Peace zeigte sich Alexander Mauz nicht nur interessiert an den verschiedenen Interpretationen des Weltgeschehens, sondern forderte auch konkrete Vorschläge ein, wie die Abgeordneten mit ihrem Mandat zur aktiven Friedensförderung beitragen wollen. Gisela Manderla (CDU) sah diesbezüglich in der Entwicklungszusammenarbeit eine große Chance und setzte vor allem auf das Thema Bildung. Dieser Forderung schloss sich Maria Westphal (FDP) an. Sie erklärte, sie selbst habe als Lehrerin ein trilaterales Austauschprogramm zwischen Israel, Palästina und Deutschland geleitet und sehe darin einen positiven Nutzen für die Völkerverständigung.

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Die Vertreterinnen von SPD und Grünen sahen im Zivilen Friedensdienst eine große Chance und forderten höhere Investitionen in die Entwicklungszusammenarbeit. Sara Nanni (Grüne) erklärte, es sei wichtig, „dass beim Blick auf das Notwendige, was man im Militärischen tun muss, nicht aus dem Blick gerät, was man sonst noch alles tun kann“.

Ulrich Thoden (Die Linke) freute sich über die Zustimmung der Vertreterinnen von SPD und Grünen, die Finanzierung für den Zivilen Friedensdienst zu erhöhen, allerdings glaube er nicht an eine Umsetzung. Er warf den beiden Vertreterinnen der ehemaligen Ampel-Parteien vor, seit der Ausrufung der „Zeitenwende“ lediglich die Militärausgaben „ins Unermessliche“ zu steigern. Stattdessen sprach er sich für eine Do-No-Harm-Politik aus. Andrej Hunko (BSW) äußerte eine ähnliche Beobachtung. Er sehe eine Verschiebung von diplomatischer Konfliktlösung hin zu militärischen Ansätzen und kritisierte einen Bedeutungsverlust ziviler Konfliktbearbeitung, in der er auch für „vergessene Kriege“ eine Chance sehe.

Während des Podiumsgesprächs wurde sichtbar, dass in Friedensfragen noch deutliche Differenzen zwischen den Parteien herrschen. Umso wichtiger ist es, dass weiterhin konstruktiv über Friedensstrategien gesprochen wird, ohne die Debatte durch reißerische Aussagen weiter aufzuheizen. Dass sich der öffentliche Diskurs weiter verschärft wurde auch durch teils harsche Zwischenrufe des Publikums deutlich, von denen sich die Abgeordneten allerdings nicht beeindrucken ließen. So rief Sanae Abdi (SPD) dazu auf, unterschiedlichen Meinungen mit Respekt zu begegnen. Maria Westphal (FDP) warnte davor, Konflikte in schwarz und weiß zu unterteilen und wünschte sich, die Meinungsvielfalt in einer Demokratie wieder schätzen zu lernen. Eine teils fast aggressiv geführte Debatte fand so ein versöhnliches Ende.

Die Publikumsfragen am Ende der Veranstaltung fielen aufgrund der intensiven Diskussion auf dem Podium aus. Ein Erstwähler kam zu Wort und äußerte einerseits Dankbarkeit für die Veranstaltung, gab jedoch andererseits zu, noch immer unsicher zu sein, wen er nun wählen solle. Eine Wahlempfehlung war jedoch auch nicht die Absicht von Pro Peace als Veranstalter. Ziel war vielmehr ein Überblick über die Positionen der Parteien, die Meinungsbildung und Wahlentscheidung müsse im Nachgang jede Person für sich selbst finden. Hierzu gibt Pro Peace in einer Analyse der Wahlprogramme weitere Hilfestellung. Diese ist hier zu finden.