„Es beginnt in dir“

Friedenspädagogische Workshops begleiten unsere Friedensläufe

Fulgencio Morente Gomez – besser bekannt als „Fug“ aus der Fernsehsendung „Wissen macht Ah“ oder aus der „Sendung mit der Maus“ – ist in der freien Theaterszene für Klein und Groß aktiv. Heike Werntgen ist Theaterpädagogin am Jungen Theater Bonn. Zusätzlich ist sie am theaterpädagogischen Zentrum in Köln tätig, engagiert sich im Regelschulunterricht in Monheim und arbeitet in verschiedensten Theatern und Kitas mit Kindern und Jugendlichen aller Altersstufen. Umfangreiche Erfahrungen bringt die Schauspielerin, Musicaldarstellerin, Moderatorin und Regisseurin in diese Arbeit ein. Gemeinsam engagieren sie sich in friedenspädagogischen Workshops an Schulen in Vorbereitung auf unsere Friedensläufe und moderieren in einigen Städten am Lauftag die Großveranstaltungen.
Heike und Fug beim Bonner Friedenslauf 2017
© forumZFD

Spielend Frieden lernen

Das Theaterstück zeigt: Das Thema Frieden ist wichtig in der Arbeit von Heike und Fug.

Heike arbeitet in inklusiven Projekten, in sogenannten Brennpunkten oder mit Geflüchteten – das Thema „Frieden und Miteinander“ ist da vorprogrammiert. Dabei bleiben schwierige Erfahrungen nicht aus: „Leider wurden schon mehrfach Menschen aus meinen Projekten abgeschoben. Zweimal bereits wenige Tage vor der Aufführung. Niemand sollte so etwas erleben müssen und erst recht nicht als Kind oder Jugendlicher“, erzählt Heike.

Bei den Auftritten von Fug und seiner Frau Janina geht es oft um Freundschaft, denn „Freundschaft ist Frieden im Kleinen“, so Fug. Wichtig ist ihm, dass die Kinder nicht nur zuschauen, sondern mitmachen. Und so gehen seine Frau und er vor allem auf diejenigen zu, die zurückhaltender sind oder eine Mitarbeit zunächst ablehnen.

Im Einsatz für das forumZFD

Zum 10. Jubiläum des Bonner Friedenslaufes im Jahr 2013 erarbeitete Fug einen Refrain für eine „Friedenslaufhymne“ – doch die Strophen blieben leer. In einem Workshop sollten die jungen Friedensläuferinnen und Friedensläufer ihre eigenen Strophen schreiben. Vielen Kindern erschien das zunächst „zu groß“, doch am Ende des Workshops mit Aktionen zum Thema Frieden „hatten alle Kinder – bei allen Arten von Schulen – ihre Reime“, sagt Fug. Man merkt ihm die Begeisterung an. „Das war wirklich toll und sehr beeindruckend“, meint auch Heike.
Aus jedem Workshop nahmen die beiden Strophen mit. Das gemeinsam komponierte Lied dröhnte dann beim Friedenslauf laut aus den Boxen. „Es beginnt in dir“, heißt es im Refrain. Und die Kinder sangen laut ihre eigenen Strophen, wie und wo Frieden beginnt.

Begonnen hat mit diesem Workshop auch die gemeinsame Arbeit von Heike und Fug für das forumZFD: Zusammen moderieren sie seither den Bonner Friedenslauf. Seit zwei Jahren sind sie auch beim Jülicher Friedenslauf im Einsatz – und vor allem bereiten sie Kinder und Jugendliche mit wechselnden Workshop-Formaten inhaltlich auf die Friedensläufe vor.

Theaterworkshop „Frau von Hier und Herr von Dort“

Aktuell bieten Heike und Fug unseren Friedenslaufschulen in Aachen, Bonn, Freiburg und Jülich einen Theaterworkshop an. Ausgangspunkt ist ein sprachliches Missverständnis: Herr von Dort wendet sich in einer fremden Sprache freundlich an Frau von Hier. Sie jedoch fühlt sich bedroht. Die Szene, dargestellt von Heike und Fug, bricht ab und die Kinder überlegen: Was ist hier passiert? „Danach, und das ist die eigentliche Aufgabe, spielen sie selbst eine Szene – auch in verschiedenen Sprachen, aber so, dass kein Missverständnis entsteht“, erklärt Fug.

Mehrere Klassen der Sekundarschule Jülich nahmen in Vorbereitung auf den Jülicher Friedenslauf 2017 am Theaterworkshop „Frau von Hier und Herr von Dort“ teil.

Ein Erlebnis ist beiden im Gedächtnis geblieben: Zwei Mädchen hatten die Aufgabe nicht gelöst – ihre Szene glich zunächst einem Raubüberfall. Nachdem Heike sie aufgefordert hatte, sich zuzuhören – mit allen Sinnen und nicht nur mit den Ohren – schafften sie es schließlich: Ein Mädchen fragte in einer fremden Sprache, wo sie einen Kakao trinken könne. Das andere Mädchen ließ sich nun viel aufmerksamer auf die Szene ein. So war es ihr möglich zu erkennen, was gemeint war: Es ging um einen Weg. „Beide haben sich dann an die Hand gefasst und sind gemeinsam
gelaufen. Das war ein sehr berührendes und sogar symbolisches Bild, ohne dass die Kinder das beabsichtigt hatten“, erinnert sich Heike.

Was bleibt nach dem Workshop?

Heike berichtet von einem Schüler, der in einem Krieg „alle Feinde erschießen“ wollte. Die Meinung der Erwachsenen in seinem Umfeld hörte man deutlich heraus. „Toll war es dann aber“, erzählt sie weiter, „mit Hilfe der Übungen und Spiele ein Verständnis für die vermeintlichen Feinde zu wecken.“ Später hörten sie den Jungen sagen: „Das sind auch Menschen, so habe ich das noch nie gesehen.“

Nach jedem Workshop schlagen Heike und Fug die Brücke zum echten Leben: „Es geht nicht nur um lustige Szenen und Missverständnisse. Wir reflektieren, ob die Kinder eine ähnliche Szene schon einmal erlebt oder beobachtet haben. Sie haben dann einiges zu erzählen“, berichtet Fug. Heike fügt hinzu: „Wenn wir Szenen zum Thema Frieden spielen, haben die Kinder ganz deutliche Ideen, was Frieden ist. Wenn dann im Gespräch später herauskommt, dass
in jeder Pause geprügelt wird, wird Fugs Song besonders relevant – ,Es beginnt in dir‘.“

Bei der Reflexion merken Heike und Fug immer wieder, dass die Kinder etwas mitnehmen. Gerade diejenigen, die nichts lernen wollten. „Haben sie aber doch – und das ist sehr befriedigend“, grinst Fug. Auch von den Lehrerinnen und Lehrern bekommen Heike und Fug positive Rückmeldungen: Es gibt unter den Schülerinnen und Schülern ein verändertes Bewusstsein nach den Workshops. Dass dieses Bewusstsein bleibt, daran glauben Heike und Fug fest. „Ich hoffe es sehr, ich wünsche es sehr, aber ich glaube auch fest daran“, sagt Fug, denn schließlich ist „die Arbeit mit Kindern die erfolgversprechendste, wenn man die Zukunft ändern möchte.“

 

Susanne Kranen, Lehrerin an der August-Macke-Schule in Bonn

Der Workshop schafft es auf eine besondere Weise, unsere Schülerschaft einzubinden und zu aktivieren. Heike und Fug gehen authentisch auf die Jugendlichen und ihre Lebenswelt ein. Nach anfänglicher Scheu bei den Kindern gelang es den beiden immer, sie zu mobilisieren, mitzumachen. Alle waren involviert.

Ich erinnere mich auch daran, dass ein Mädchen im Stuhlkreis von ihrer eigenen Fluchtzeit erzählte und dadurch für die Bedeutung von Frieden eingestanden ist. Die Mitschüler waren betroffen und kamen zur Ruhe, nachdem sie sich zuvor eher laut und wild verhalten hatten.

Susanne Kranen, Lehrerin an der August-Macke-Schule in Bonn

Friedensläufe: Wofür laufen wir?

„Mit den Friedensläufen verbinde ich eine unglaubliche Energie und Kraft. Sie gehören zu den Ereignissen, die mir immer wieder aufs Neue den Glauben an die Menschheit zurückgeben. Wenn so viele Kinder und Jugendliche in der Lage sind, gemeinsam friedlich etwas zu erreichen, dann ist Frieden möglich“, erzählt Heike begeistert. Fug
erinnert sich an einen Jungen mit einer körperlichen Behinderung, der beim Bonner Friedenslauf drei Runden gelaufen war. Im Anschluss bat ihn der Junge um ein gemeinsames Foto. „Ja. Erst machen wir ein Foto von dir mit mir, aber danach will ich ein Foto von mir mit dir. Denn du bist heute der größte Held für mich“, entgegnete Fug. Für ihn war dies einer der eindrücklichsten Momente, denn „der Kerl hat gestrahlt ohne Ende – so viele Tüten hatte ich gar nicht dabei, um diese ganze Energie mitzunehmen.“

Im Gedächtnis geblieben sind Heike und Fug auch die vielen Kinder und Jugendlichen mit eigener Fluchtgeschichte, die im vergangenen Jahr am Bonner Friedenslauf teilnahmen. „Das hat den Friedenslauf noch einmal extra wichtig gemacht“, so Heike. Denn die Friedensläufe sind viel mehr als reine Laufveranstaltungen, sind Heike und Fug sich einig.

„Dreimal so motiviert“, so Fug, sind die Kinder und Jugendlichen, die sich zuvor in den Workshops mit dem Thema Frieden auseinandergesetzt haben. In der Masse der Kinder erkennen Heike und Fug oft diejenigen wieder, die ihnen in den Workshops zunächst ablehnend begegnet waren. „Mit diesen Kindern arbeitet man natürlich mehr und
intensiver – und wenn man sie dann zum Nachdenken bewegt, dann rennen sie beim Friedenslauf eine Runde nach der anderen“, berichtet Fug. Oft braucht es „nur diese kleine Schippe mehr an Bestätigung und Aufmerksamkeit“, und sie rufen ihm nach jeder Runde voller Stolz zu: „Ey Fug, ich hab jetzt sieben Runden!“

Fug fasst zusammen: „Da kommt echt was an bei den Kindern. Das ist toll. Die Workshops machen Spaß – und es ist schön und befriedigend, wie schnell man dann spätestens beim Friedenslauf feststellt, dass man etwas zurückbekommt.“

von Claudia Osthues,
Koordinatorin für Friedensläufe und friedenspolitische Bildung