Zurück zum Programm Westlicher Balkan

Wie Medien die Vergangenheit im Westbalkan erzählen

Veranstaltung und Advocacy-Tour zu unabhängigem Journalismus und Vergangenheitsaufarbeitung im Westlichen Balkan

Im vergangenen Monat war eine Delegation von Partner*innen und Kolleg*innen von Pro Peace aus dem Westbalkanprogramm in Berlin, um sich für die Förderung von unabhängigem Journalismus einzusetzen. Neben Gesprächskreisen mit Bundestagsabgeordneten nahmen sie auch an einer Veranstaltung der Tageszeitung taz teil.
Getoarbë Mulliqi & Prof. Dr. Dinko Gruhonjic bei einer Diskussionsrunde im Deutschen Bundestag.
© Büro Jasmina Hostert, MdB

Teil der Delegation waren Dr. Dinko Gruhonjic, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Novi Sad in Serbien, Getoarbe Mulliqi, Geschäftsführerin der Vereinigung der Unabhängigen Journalist*innen des Kosovo (AGK), Alexander Vojvoda, Kommunikations- und Advocacyberater im Westbalkan-Team von Pro Peace sowie Harald Schenker, Landesdirektor für Nordmazedonien.

Den Auftakt des Berlin-Programms bildete ein Breakfast Talk mit dem Thema "Media, Power, and Memory: Democratic Erosion, Dealing with the Past, and the EU Integration Process in Serbia and Kosovo” in der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) Berlin, bei dem Vertreter*innen aus Medien, Zivilgesellschaft und Politik über Medienfreiheit, demokratische Erosion und den Umgang mit der Vergangenheit in Serbien und Kosovo diskutierten. Die Veranstaltung wurde gemeinsam von Pro Peace und der FES organisiert und bot Raum für einen vertraulichen Austausch zu den Ergebnissen des Pro-Peace-Positionspapiers „Medienberichterstattung über die Aufarbeitung der Vergangenheit im Westbalkan“ von Prof. Dr. Dinko Gruhonjić und Getoarbë Mulliqi sowie zu aktuellen Herausforderungen für unabhängigen Journalismus in der Region. Die enge Kooperation mit der FES – sowohl bei der Konzeption des Besuchsprogramms als auch bei der Anbindung an politische Entscheidungsträger*innen in Berlin – bildete bei dieser Advocacyreise damit einen zentralen Baustein, um Aufmerksamkeit zur Medienfreiheit und Vergangenheitsaufarbeitung im Westlichen Balkan zu bekommen.

Zu Gast im Deutschen Bundestag nahm die Delegation an einer Sitzung des Gesprächskreises Südosteuropa mit Bundestagsabgeordneten teil. Dabei betonten sie die Bedeutung der Förderung der unabhängigen Arbeit von Journalist*innen in der Region und anderen Akteur*innen, die sich für Pressefreiheit und Demokratie einsetzen.

Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung, Journalist*innen aus Serbien und dem Kosovo und die SPD-Bundestagsabgeordneten Adis Ahmetovic und Jasmina Hostert im Deutschen Bundestag.

Gleich zu Beginn der Diskussion machte Alexander Vojvoda deutlich, dass die Region auch 25 Jahre nach Ende der Balkankriege immer noch von den Folgen der gewaltsamen Konflikte geprägt ist. Dabei bestimmen zunehmender ethno-nationalistischer Nationalismus und Autoritarismus die Narrative und Blicke auf die gemeinsame Vergangenheit und die Kriege der 1990er und frühen 2000er. Dadurch geraten demokratische Institutionen und die Zivilgesellschaft weiter unter Druck, auch aufgrund einer gewissen Perspektivlosigkeit in der Bevölkerung.

Beim taz-Talk, einer Veranstaltung in Kooperation zwischen taz und Pro Peace, setzten sich die Diskutanten am 7. November mit der Frage auseinander, inwiefern Journalist*innen im Westlichen Balkan unabhängig arbeiten und transparent über die Vergangenheit berichten können.
Die Veranstaltung kann hier nachträglich angeschaut werden:

Urheberrecht
© taz

Prof. Dr. Dinko Gruhonjic stellte die aktuelle Situation für Journalist*innen in Serbien hervor. Diese würden von der Regierung massiv unterdrückt. Das betreffe aber auch andere Akteur*innen wie etwa unabhängige NGOs. Des Weiteren sei die voranschreitende staatliche Zensur der Medien ein großes Problem für unabhängige Medienschaffende. Auch er persönlich sehe sich Repressionen und persönlichen Freiheitseinschränkungen ausgesetzt, durch etwa verbale Angriffe auf der Straße oder gegen ihn gerichtete Kampagnen in staatlichen Medien.

Getorbae Mulliqi stellte den Zuhörer*innen die Situation für Journalist*innen im Kosovo dar. Nachdem das Land einst Vorreiterin bei der Pressefreiheit in der Region war, habe sich die Situation in den vergangenen fünf Jahren deutlich verschlechtert. Vergangenheitsaufarbeitung sei in der kosovarischen Gesellschaft ein wichtiges Thema, dennoch sei die Medien-landschaft in dem Land weitgehend zwischen albanisch und serbisch geprägten Medien gespalten. Dies verhindere eine nachhaltige gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.

Alle drei Redner*innen betonten die Rolle der Arbeit von Pro Peace in der Region, vor allem bezüglich der Vergangenheitsaufarbeitung, zivilgesellschaftlichen Engagements und Gerechtigkeit und Wichtigkeit von Stimmen von Opfern und Überlebenden der gewaltsamen Aus-einandersetzungen in allen Ländern der Region. Außerdem wurde die Rolle der Partneror-ganisationen in den Westbalkanstaaten unterstrichen.

Es bleibt wichtig, zivilgesellschaftliche Stimmen, wie Prof. Dr. Dinko Gruhonjic und Getoarbe Mulliqi, zu unterstützen. Auch in stürmischen Zeiten müssen unabhängige Akteure, die sich für Demokratie und Teilhabe einsetzen, gefördert werden.

Zurück zum Programm Westlicher Balkan