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Westlicher Balkan: 30 Jahre nach dem Völkermord

Am 11. Juli jährt sich das Massaker von Srebrenica

Frieden ist ein fragiler und unsicherer Zustand. Ein eindrückliches Beispiel ist der Völkermord von Srebrenica, bei dem 1995 über 8.000 bosnische Muslime starben. Wir sprachen über die Hintergründe und die bis heute anhaltenden Nachwirkungen mit Alexander Vojvoda aus dem Westbalkan-Team von Pro Peace.
Alexander Vojvoda
© Pro Peace

Was geschah vor 30 Jahren in Srebrenica, diesem kleinen Ort im Osten von Bosnien und Herzegowina nahe der Grenze zu Serbien?

Alexander: Nach dem Unabhängigkeitsreferendum von Bosnien und Herzegowina 1992 kam es auf dem gesamten Gebiet von Bosnien und Herzegowina zu Unruhen und einem Bürgerkrieg. Im Zuge dieses Konflikts kam es dann am 11. Juli 1995 zu einem der größten Massaker in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Um sich das hier vorstellen zu können: In einer UN-Schutzzone in Srebrenica töteten bosnisch-serbische Truppen und Paramilitärs mehr als 8.000 bosnische Männer und Jungen, die dort Schutz gesucht hatten. Zwar waren niederländische UN-Blauhelme in der Stadt, doch diese haben in diesem Massaker nicht eingegriffen. Erst nach dem Völkermord von Srebrenica griff die internationale Gemeinschaft ein, die bis dahin sehr still agiert hatte. 1995 dann vermittelten die USA, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Deutschland, Russland und die EU das Abkommen von Dayton, das den Bürgerkrieg offiziell beendete. Man muss aber dazu sagen: Das Massaker an bosnischen Muslimen wurde zwar sowohl vom Internationalen Jugoslawientribunal als auch vom Internationalen Gerichtshof als Genozid eingestuft, dennoch wird diese rechtliche und historische Einordnung in Teilen der Region und auch in Bosnien-Herzegowina bis heute offen angezweifelt oder relativiert.

Wie wirkt sich das auf das gesellschaftliche Miteinander im Land aus?

Alexander: Man kann sagen, dass die Folgen des Krieges noch sehr deutlich spürbar sind, dass bis heute das Land tief von politischen und gesellschaftlichen Spannungen geprägt und geteilt ist. Schülerinnen und Schüler lernen in getrennten Klassen nach voneinander abweichenden Geschichtsbüchern, was natürlich die gegenseitige Entfremdung weiter vertieft. Das wird nicht nur politisch geduldet, sondern zum Teil auch gezielt gefördert.

Parallel dazu erleben wir eine besorgniserregende Zunahme von Nationalismus und Geschichtsrevisionismus: Kriegsverbrecher werden auf der einen Seite glorifiziert, aber der Völkermord von Srebrenica auf der anderen Seite wird relativiert oder sogar geleugnet. Gerade unter jungen Menschen, die die Gewalt der 1990er-Jahre selber nicht miterlebt haben, verfestigt sich dadurch ein einseitiges Narrativ und alte Feindbilder. Und hier steuert Pro Peace mit seiner Arbeit konkret dagegen.

Gedenktag für den Genozid von Srebrenica in Belgrad, 2016.

Wie genau arbeitet Pro Peace?

Alexander: Wir arbeiten mit über 50 Partnerorganisationen in der Region zusammen, zum Beispiel im Bildungsbereich. Dabei unterstützen wir Projekte, die kritisches Denken fördern, etwa durch Workshops, Lehrmaterialien oder Dialogformate. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf kritischer Medienarbeit, die vor allem junge Menschen dazu ermuntert, manipulierte Erzählungen zu entlarven und diesen Erzählungen faktenbasiertes Wissen entgegenzusetzen. Ein dritter Bereich ist: Wir entwickeln gemeinsam mit unseren Partnern neue inklusive Vermittlungsformate mit Künstler*innen und Kulturschaffenden, die verschiedene Gemeinschaften zusammenbringen und alternative Erinnerungsräume schaffen sollen, jenseits von ethnischer Zugehörigkeit oder politischer Instrumentalisierung.

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Alexander Vojvoda ist Berater für Advocacy und Kommunikation im Westbalkan-Programm von Pro Peace. Ein ausführlicher Hintergrundartikel zum Jahrestag des Völkermords von Srebrenica erscheint in der Ausgabe 3/25 des Pro Peace Magazins.

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